782. Die Weihnachtskugel

Die Weihnachtskugel

Lena saß in der Schule und wartete darauf, dass die nächste Stunde beginnen würde. Auf dem Plan stand Kunstunterricht. Das bedeutete Basteln, Werken, Malen oder etwas ähnlich Kreatives. Was es diese Woche sein würde, wusste bis jetzt nur die Lehrerin. Aber ein Blick auf den Kalender ließ vermuten, dass es etwas mit Weihnachten zu tun haben würde.
Es klingelte. Nur Sekunden später öffnete sich die Tür zum Kunstraum. Die Lehrerin kam mit einer großen Kiste herein.
»Heute gestalten wir Weihnachtskugeln.«, erklärte sie. »Jeder von euch nimmt sich bitte eine Kugel aus der Kiste und dann könnt ihr einfach drauf los arbeiten. Macht, was euch einfällt und woran ihr Spaß habt. Ich lasse euch völlig freie Hand.«
Alle Schüler stürmten nach vorn und holten sich ihre Kugeln ab. Die Letzte, die an die Reihe kam, war Lena. Sie hasste es, sich ins Gedränge zu stellen und wartete immer bis zuletzt.
»Oh!«, sagte Lena. »Ist nur noch eine Kugel drin.«
Sie holte ihre Kugel hervor und besah sie sich von allen Seiten.
»Die ist nicht mehr ganz in Ordnung. Sie hat eine große Delle auf der einen Seite.«
Lena wusste sofort, dass jeder ihrer Mitschüler die verbeulte Kugel wieder zurück gelegt hatte.
»Ich habe noch eine zweite Kiste im Lehrerzimmer. Ich kann dir eine neue Kugel holen.«
Lena dachte kurz nach, grinste und schüttelte den Kopf.
»Nicht nötig. Es wäre doch schade um die Kugel. Da steckt schließlich auch Arbeit drin. Außerdem erzeugt das nur unnötig Müll.«
Sie nahm also ihre verbeulte Kugel und setzte sich zurück an ihren Platz.
In den folgenden zwei Stunden wurde gebastelt, geklebt, bemalt. Das heißt, so sollte es laufen. Die meisten Schüler waren bereits nach dreißig Minuten fertig und verbrachten die restliche Zeit mit Quatschen. Nur Lena war noch fleißig.

Zum Ende der Stunde sollte jeder seine persönliche Kugel präsentieren. Die meisten waren schlicht einfarbig bemalt. Ein paar Wenige trugen noch Weihnachtsmänner, Engel oder Sterne als Verzierung.
Die Letzte, die ihr Werk präsentierte war Lena.
Von allen Seiten wurde bereits getuschelt. Die anderen Schüler machten sich bereits lustig über die eingedrückte Kugel. Daraus konnte man unmöglich etwas Schönes gestalten. Doch dann wurden sie plötzlich still.
Lena kam nach vorn und hielt ihre Kugel hoch. Sie war braun bemalt und mit dünnen, schwarzen Linien verziert. Sie sah aus wie eine kleine Krippe.
Aus Backknete hatte Lena winzig kleine Figuren geformt. Ochs und Esel, Schafe, Hirten, Maria, Josef und das Christkind.
Ihren Mitschülern blieben die Münder offen stehen. So etwas Kreatives hatten sie auch noch nicht gesehen.
Spontan applaudierten sie Lena und klopften ihr auf die Schulter.
»Die hängen wir an den Weihnachtsbaum im Eingangsbereich, damit sie dort jeder sehen und bewundern kann.«, entschied die Lehrerin.

(c) 2019, Marco Wittler

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