1242. Die Friedenstaube

Die Friedenstaube

Es war einer wundervolle Nacht. Die Luft war noch warm vom sonnigen Nachmittag, während nach und nach die Sterne und das lange Band der Milchstraße wie kleine Nadelstiche in einem Zeltdach am Himmel erschienen. Es war der perfekte Zeitpunkt, um stundenlang draußen zu sitzen und den Ausblick zu genießen.
Daran hatte auch die Taube viel Spaß gehabt. Sie hatte auf einem dicken Ast eines Baumes gesessen und geträumt. Nun lag sie gemütlich in ihrem Nest und schlief ganz tief und fest.
Doch pllötzlich wurde sie durch einen lauten Krach gestört. Irgendwo unter ihr waren wütende Stimmen zu hören, die sich gegenseitig anbrüllten. Irgendwer hatte mit irgendwem einen Streit angefangen.
Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Immerhin gab es auch hier im Wald Regeln und Gesetze, an die sich die tierischen Bewohner halten mussten. Eine davon besagt, dass es in der Nacht still sein sollte. Die einzige Ausnahme machte man für Grillen und Uhus.
»Das hält man ja im Kopf nicht aus.«, schimpfte die Taube. !Wie soll man denn be dem Lärm schlafen?«
Sie versuchte die Geräusche auszusperren, indem sie ihren Kopf unter einem ihrer Flügel versteckte, doch das brachte nicht sehr viel.
»Ruhe da unten!« Auf diese Beschwerde reagierte niemand. Es blieb der Taube nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zum Boden zu machen. Sie schnappte sich einen dünnen Zwei mit ihrem Schnabel und flog mehrere Etagen tiefer, bis sie zwischen einer Gruppe Biber und einer Horde Eichhörnchen landete.
»Was geht hier vor? Warum müsst ihr um diese Zeit noch streiten? Wollt ihr etwa die ganze Nachbarschaft aufwecken?«
»Wir brauchen Bäume für unseren Staudamm.«, erklärten sich die Biber. »Die Eichhörnchen hindern uns aber an den Fällarbeiten.«
»Die Biber fällen unser Zuhause.«, verteidigten sich nun die Eichhörnchen. »Sie wollen Bäume abholzen, in denen sich unsere Nester befinden. Das können wir nicht zulassen.«
Die Taube seufzte. Das hatte sie sich einfacher vorgestellt. »Ich haltet jetzt alle mal den Schnabel.« Sie musste nachdenken und zeigte drohend mit ihrem Zweig auf jeden, der ein Geräusch machte. Schließlich hatte sie einen Vorschlag zu machen.
»Warum arbeitet ihr nicht einfach miteinander? Die Eichhörnchen kennen die Bäume im Baum in und auswendig, von ganz oben bis ganz unten. Sie können euch Bibern zeigen, welche ihr davon fällen solltet und welche nicht. Dann können bewohnte Bäume stehen bleiben und die Kranken aussortiert werden. Und nun werdet euch einig und schüttelt euch die Hände.«
Das hörte sich tatsächlich richtig gut an. Beide Streitgruppen nahmen den Vorschlag an.
»Und jetzt setzen wir uns auf die große Lichtung und genießen gemeinsam den Blick in die Sterne.«

(c) 2022, Marco Wittler

Die Geschichte wurde von einem Bild (nicht das auf dieser Seite) inspiriert, das Roiberhexe auf Twitter gemalt hat. Sie malt ganz tolle Bilder, die du dir unbedingt in ihrem Profil einmal anschauen solltest.

 


Image by Alexas_Fotos from Pixabay

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