Flaschenpostbote Knut räumt auf
Flaschenpostbote Knut stand in seinem Büro und blickte in den großen Spiegel, der schon länger hier seinen Dienst tat, als der alte Meermann. Er zog sich seine blaue Uniform zurecht, rückte die passende Mütze gerade und strich sich über den Bart. Der Gurt seiner brauen Ledertasche hing bereits über seiner Schulter und war bis zum Rand mit Flaschenpost gefüllt. Knut nickte zufrieden. Er war bereit, in den heutigen Dienst zu starten.
»Hallo!« meldete sich eine ungewöhnlich tiefe Stimme.
»Ach, verdammt!« Der Flaschenpostbote bekam rote Wangen. »Jetzt hätte fast das Wichtigste vergessen. Ohne meine Plakette erkennt mich doch niemand als Flaschenpostbote. »Er griff zum Seestern, der neben dem Spiegel auf einem kleinen Schränkchen lag. »Hallo Enno.«, begrüßte Knut seinen Kollegen und Begleiter. »Hallo!«, sprach Enno ein weiteres Mal, der nur dieses eine Wort kannte, es dafür aber umso lieber und öfter sagte.
Nun passte alles. Sie konnten das Flaschenpostamt verlassen. Vor der Tür trafen sie auf Fiete. Der große, orange Krake hielt mit seinen Armen acht weitere Taschen. So konnten sie die gesamte Stadt unter dem Meer mit Nachrichten versorgen, ohne zwischendurch ins Büro zurückkehren zu müssen.
»Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, dass wir heute Morgen gemeinsam unsere Runde schwimmen können.«, sagte Knut und seufzte wohlig.
Doch, das konnten sich Enno und Fiete nur zu gut vorstellen, denn der alte Meermann erwähnte es bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Sie schwammen durch die Straßen, befüllten nach und nach die Postkästen und begrüßten jeden, der ihnen begegnete.
Plötzlich wurde es dunkel um sie herum. Ein großes Etwas schob sich vor die Sonne und warf einen Schatten auf den Meeresgrund.
»Was ist denn das?« Knut blickte hinauf und entdeckte den hölzernen Boden eines Segelschiffs. »Oh, nein. Menschen. Das kann nichts Gutes bedeuten.«
Etwas fiel ins Wasser und taumelte langsam herab. Knut erkannte natürlich sofort, worum es sich handelte. »Schau an. Im Boot sitzt ein Kollege und übergibt uns eine Sendung.«
Der Flaschenpostbote schwamm dem Ding entgegen, schnappte es sich. Er hatte es tatsächlich Recht behalten. Es war eine Flasche.
»Nanu? Sie ist leer. Was soll denn das? Frankiert und adressiert ist sie auch nicht. Das ist keine Flaschenpost. Das ist einfach nur Müll. Typisch Menschen. Die denken nie über die Natur und die Wesen nach, die in ihr leben.«
Knut schwamm noch ein Stückchen höher, durchbrach mit seinem Kopf die Wasseroberfläche und warf die Flasche ins Boot zurück. »Verschwindet bloß von hier, elende Umweltverschmutzer. Lasst euch nie wieder hier blicken.«
(c) 2024, Marco Wittler
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